Sattelzwang oder Magengeschwür
Allgemeine Infos

Sattelzwang oder Magengeschwür?

Wo Probleme mit Sattel oder Gurt vermutet werden, steckt mitunter etwas ganz anderes dahinter

 

Verschiedenste Beispiele aus der Praxis zeigen eines deutlich: Magengeschwüre sind nicht selten die eigentliche Ursache von Symptomen, die auch auf ein Problem mit dem Sattel hindeuten könnten.

Ein Beispiel aus meiner Praxis verdeutlicht das:

Eine Kundin rief mich an und bat mich um einen Termin bezüglich ihres 4 jährigen P.R.E. – Hengstes. Der Hengst zeigte in der Vergangenheit starken Unwillen beim Auflegen des Sattels und beim Gurten.  Dies, obwohl das Pferd bisweilen noch nicht geritten wurde und sie großes Augenmerk auf ein vorsichtiges Anziehen des Gurtes legte.

Ich nahm den Termin wahr und konnte keinerlei Auffälligkeiten bezüglich des Rückens, der Gurtlage, des Sattels sowie des Gurtes feststellen. Auch zeigten alle physiotherapeutischen Maßnahmen kein dauerhaft positives Ergebnis. Die abschließende Diagnose durch einen hinzugezogenen Tierarzt ergab (nach erfolgter Endoskopie) den Befund „Magengeschwür“ und wurde inzwischen erfolgreich therapiert.

 

Selbst ein Drittel aller Freizeitpferde leiden unter Magengeschwüren

Laut der Voss Studie von 2006 kommen Magengeschwüre bei Trabrennpferden zu 60 – 80 % vor, bei sich im Training befindlichen Vollblütern sogar bis zu 90 %. Selbst bei Freizeitpferden in leichter Arbeit konnte Voss bei bis zu 30 % der Pferde Magengeschwüre finden. Nur bei ausschließlich auf der Weide gehaltenen Pferden lag das Vorkommen bei unter zehn Prozent.

Hinzu kommt, dass die Symptomatik nicht eindeutig ist. Hierzu sollte man wissen, wieso auch Pferde Magengeschwüre entwickeln.

 

Nicht nur Stress ist die Ursache von Magengeschwüren

Bei Pferden ist der Magen im Prinzip recht einfach aufgebaut. Im Gegensatz zu Menschen, die einen „einhülligen Magen“ besitzen, besteht der Pferdemagen im unteren Teil aus einer säuereunempfindlichen Schicht, der obere Teil des Magens hingegen ist sehr säuereempfindlich.
Magen des Pferdes

Anders als bei uns Menschen, die wir Magensäure nur nach der Nahrungsaufnahme produzieren, wird bei Pferden permanent, also 24 Stunden pro Tag, Magensäure produziert (sekretiert). Das liegt natürlich daran, dass Pferde dafür ausgelegt sind permanent Heu, Gras und andere Pflanzenfasern (Rohfaser) zu fressen und nicht einzelne Mahlzeiten zu sich nehmen sollten.

Jetzt haben wir unsere Pferde domestiziert oder besser zivilisiert. Somit bekommen sie die Vorgabe, wann und wie lange sie Ihre Mahlzeiten aufzunehmen haben, von uns. Sie bekommen ihr Kraftfutter in vielen Fällen zwei-, drei- oder viermal täglich, ohne zwischenzeitliche Raufuttergaben wie Heu etc.. Das bedeutet, dass ihr Magen zwischen den Mahlzeiten leer läuft, während aber weiterhin Magensäure sekretiert wird. Somit steigt die Magensäure im Magen permanent höher. Irgendwann steigt also die Säure über das säureresistente Areal hinaus, in den säureempfindlichen Bereich des Magens auf.  Dort kann diese nun die empfindliche Magenschleimhaut angreifen. Dies verursacht die Elision (Herausbildung), die wir umgangssprachlich „Magengeschwür“ nennen. Ein Magengeschwür ist nicht wirklich ein Geschwür oder ein Geschwulst im herkömmlichen Sinn, sondern vielmehr eine kleine Verletzung (Ulcus – Austrennung von Haut). So fällt die Vorstellung nicht schwer, wie schmerzhaft es ist, wenn die Magensäure ständig gegen die verletzte Stelle der Magenschleimhaut schwappt.

Die Ursachen durch Haltung im Einzelnen:

    1. Fütterungsbedingte Ursachen
      Der permanente Zugang zu Futter ist in der modernen Pferdehaltung nur schwer zu gewährleisten. Was auch die hohe Zahl der Magengeschwürserkrankungen erklärt.
      Ein weiteres Problem ist stark kohlehydratreiches Futter, welches natürlich bei Sportpferden aufgrund der nötigen Energieaufnahme auch gegeben werden muss. Das große Problem dabei ist jedoch der Zucker. Zucker erhöht den Säuregehalt des Magens. Das heißt es entsteht eine zusätzliche Säuereanreicherung der Magensäure. Wo also Heu als Puffer wirkt, wirkt zuckerhaltiges „Kraftfutter“ als Säuereverstärker. Die Logik ist also klar: Pferde sollten möglichst Raufutter fressen, denn nur Heu wirkt ähnlich einem Schwamm, es neutralisiert und saugt Säure auf.
    2. Trainingsbedingte Ursachen
      Hier hat man festgestellt, dass bei Sportpferden, gerade auch bei den Galoppern, der Magen durch das hohe Tempo und der stetigen Anstrengung der Bauchmuskulatur zusammengepresst wird. Durch dieses Zusammenquetschen wird vermehrt Säure vom säureresistenten unteren Magenbereich in den empfindlichen oberen Bereich gedrückt. So kann grundsätzlich hohes Tempo und viel Training in direktem Zusammenhang mit der Herausbildung von Magengeschwüren stehen.
    3. Stressbedingte Ursachen
      Wie bei uns Menschen, steht Stress natürlich auch bei Pferden in einem direkten Zusammenhang mit Magenschleimhauterkrankungen.  Wir können allerdings im Gegensatz zu Pferden Stress artikulieren. Pferde wirken oftmals nicht gestresst, obwohl sie es doch sind. Uns bleibt das verborgen. Gründe für Stress bei Pferden sind mannigfaltig. Turnierteilnahmen, der Umzug in einen neuen Stall, der Zugang von neuen Pferden im eigenen Stall, längere Transporte, Tierarztverbringung, das Zusammenbringen in eine neue Herde und vieles mehr kann zu Stress führen, den uns das Pferd nicht unbedingt anhand seines Verhaltens zeigt. Oft sprechen wir davon, wie cool unser Pferd doch war, als wir es am Turnierort aus dem Hänger geholt haben. Stress hat es vermutlich dennoch gehabt. Stress steigert die Ausschüttung von Magensäure. Ebenso kann Stress dazu führen, dass Pferde das fressen vorrübergehend einstellen – was uns wieder zu Problem Nummer Eins führt.
    4. Medikamentenbedingt Ursachen
      Fast alle entzündungshemmende Medikamente – und zwar auch diese, die über das Futter gegeben werden – greifen die Magenschleimhaut an und verursachen so Magengeschwüre. Der Einsatz von Entzündungshemmern ist weit verbreitet. Damit ist deren oft notwendige Gabe auch gleichzeitig ein relevanter Grund für die Häufigkeit von Magenschleimhauterkrankungen.

 

Unklare Symptomatik bei Magengeschwüren

Die Vielseitigkeit der möglichen Symptome bei einem Magengeschwür schaffen auch für mich als Sattlerin die Notwendigkeit, mich intensiv mit dem Thema organische Erkrankungen zu beschäftigen. Oft bin ich die erste am Pferd, die mit Symptomen wie Sattel- oder Gurtzwang konfrontiert ist. Diese Symptome können ihre Ursache aber ebenso auf Seiten der Organe haben. Kann ich also den Sattel als Problemquelle ausschleißen und will meine Kunden mit ihren Pferde nicht gänzlich ratlos zurücklassen, tut ein ganzheitlicher Blick auf die Symptomatik oft Not. Werfen wir also einen etwas genaueren Blick auf die klinisch unspezifisch auftretenden Symptome von Magengeschwüren:

Neben heftigen Reaktionen beim Anlegen des Sattelgurtes – also Druckeinwirkung auf den Bauch, sind typische Anzeichen wie Appetitlosigkeit, chronischer Durchfall oder ein schlechter Allgemeinzustand wie stumpfes Fell, Hinweis auf ein Magengeschwür. Auch flehmen, leerkauen, gähnen, koppen, knirschen mit den Zähnen und aufstoßen können Anzeichen sein. Zudem leiden die Pferde häufig an leichten, jedoch wiederkehrenden Koliken, deren Ursache oft unklar bleibt.

Auch ein Abfall der Leistungsbereitschaft kann auf Magenulzera hinweisen. Einige Patienten sind auch nur lustlos und träge bei der täglichen Arbeit und fühlen sich unwohl unter dem Reiter.

Für Fohlen ist ein erhöhter, und oftmals schaumiger Speichelfluss typisch.

Diese Symptome müssen allerdings nicht gleichzeitig auftreten. Zudem sind sie, wie bereits erwähnt, nicht spezifisch. Das bedeutet, dass sie  nicht eindeutig auf ein Vorhandensein der Krankheit hindeuten. Außerdem muss nicht jedes Pferd, das an einem Magengeschwür leidet, die Symptome auch anzeigen. Genau deshalb bleiben viele Fälle von Magenschleimhautläsionen unerkannt.

 

Eindeutige Diagnose nur durch Endoskopie

Mir bleibt nach Ausschluss von Sattelproblemen das genaue Beobachten und stets auch der Blick über den Tellerrand hinaus.  Könnte sich dabei die Möglichkeit einer Magenerkrankung ergeben, wird mein Rat immer das Hinzuziehen eines Tierarztes sein. Eindeutig können Magengeschwüre nämlich nur durch eine Endoskopie des Magens (Magenspiegelung) festgestellt werden.

 

Fazit

Aus meiner Sicht sind Magengeschwüre oftmals ein hausgemachtes Problem. Es wird zwar nicht immer möglich sein jedweden Stressfaktor für das Pferd zu umgehen. Gerade bei Sportpferden bleibt Training und Leistungserwartung sowie die Teilnahme an Turnieren. Dies geht immer auch mit einer Verbringung und der kurzzeitigen Einstellung in fremden Ställen einher. Damit wird der Pferdesportler leben müssen, weil sein Pferd damit leben muss. Jedoch kann jeder Pferdehalter, egal ob Freizeitreiter oder Turniergänger, für eine vernünftige Ernährung sorgen. Hierzu zählt das dauerhafte  Zurverfügungstellen von Raufutter, das weitestgehende vermeiden von zuckerhaltiger Zusatznahrung und die Gabe von Kraftfutter stets in Verbindung mit der Rauhfuttergabe. Eine grundsätzliche Achtsamkeit bei der Beifütterung, beim Kauf jedweder Zusatzprodukte und bei der Gabe von Belohnungshäppchen kann eine hervorragende Prophylaxe sein.

Ebenso verhindert ein verhältnismäßiger Umgang mit dem Pferd ganz grundsätzlich sinnlosen Stress. Hierzu zählen ein typgerechtes Training und eine größtmögliche Annäherung zur artgerechten Haltung ebenso, wie ein angemessenes Verhalten seinem Pferd gegenüber.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass nach einer befundlosen Abklärung durch den Sattler die Probleme nicht verschwinden werden. Sattel- und Gurtzwang haben immer eine Ursache. Diese gilt es herauszufinden.

 

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